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Leserbrief an Herr Wieland (FAZ)

Sehr geehrter Herr Wieland,

wir begrüßen als in Katalonien lebende Deutsche Ihr Interesse an den aktuellen Ereignissen. Als deutsche Sprachwissenschaftler und Juristen vor Ort, möchten wir allerdings einige Ihrer Aussagen richtigstellen, um den Lesern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein reales Bild zu vermitteln.

Durch die Vorgänge auf der Krim ist keine Polemik in Spanien entbrannt. Es besteht eine Polemik über die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens, doch sind die beiden Fälle Krim und Katalonien nicht miteinander zu vergleichen: Es gibt weder historische, noch politische oder zukünftige Parallelen. Die Krim war in der Vergangenheit russisches Territorium, mehr als 90 Prozent ihrer Bewohner haben für eine Annektierung an Russland gestimmt und dies mittels eines Referendums, das durch einen unrechtmäßig an die Macht gekommenen Präsidenten ausgerufen wurde. Katalonien war vor dem Erbfolgekrieg ein eigenständiges Territorium mit eigener Sprache und Kultur, eigener institutioneller Entscheidungsgewalt und gleichberechtigter Partner des kastilischen Reiches. Der katalanische Unabhängigkeitsprozess wurde durch die massive Beteiligung der Bevölkerung in Gang gesetzt. Ihr Ziel ist keine Annektierung, sondern wie Sie selbst richtig schreiben, Katalonien als „neuer Staat Europas”. Die gesamte Bewegung ist basisdemokratisch organisiert und vollkommen friedlich. Zur Volksabstimmung hat der demokratisch gewählte Präsident der Generalitat nach Abstimmung mit anderen Parlamentsgruppen aufgerufen.

Aufgrund fehlender Parallelen zwischen den Vorgängen auf der Krim und denen in Katalonien, sind sowohl die katalanische Regierung als auch die zahlreichen katalanischen Bürgerinitiativen darauf bedacht, Vergleiche der Art, wie Sie sie machen, zu vermeiden und zu dementieren. Die Heraufbeschwörung einer solchen Polemik verschärft die Situation unnötig. Diesbezüglich wollen wir darauf hinweisen, dass die Wahl von Begriffen wie „warnen” und „drohen”, die das Handeln der Katalanen in die Nähe kriegerischer Erklärungen rücken, eher nicht in eine realistische Darstellung der Ereignisse gehören.

Zudem deuten Sie in Ihrem Artikel an, die Initiative zur Unabhängigkeit Kataloniens ginge von der katalanischen Regierung aus: „dem Plan der katalanischen Regierung, (…) eine Volksabstimmung über die Bildung eines ‚neuen Staats Europas’ abzuhalten”, „für die Abhaltung ihres Referendums”. Aber es waren die 1,5 Millionen Demonstrierenden, die auf Initiative der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und anderer Bürgerinitiativen am 11. September 2012 die katalanische Regierung zu einem Programmwechsel für eine Volksabstimmung aufforderten, nicht anders herum.

Zum Schluss möchten wir noch die offizielle Haltung der katalanischen Regierung zum Referendum auf der Krim widergeben, die bis heute unverändert bleibt: „Die Deklaration des Parlaments der Krim ‚hat weder Legitimation noch ist sie legal’, denn sie sei ‚das Resultat von Gewaltanwendung und Einschüchterung’. Das Recht auf Selbstbestimmung sei stets ein ‚rein friedliches Mittel und Ausdruck demokratischer Toleranz” (Francesc Homs in PuntAvui).

Davon, dass die katalanische Regierung in der Abspaltung der Krim von der Ukraine „ein Vorbild” sehe, kann folglich keinesfalls die Rede sein.

Wenn Sie also eine europäische, demokratisch gewählte Landesregierung zitieren, geben Sie bitte den Namen des Sprechers an. Der offiziellen Haltung der katalanischen Regierung folgend scheint der Wahrheitsgehalt Ihrer Darstellung äußerst bedenklich.

Gerade weil es sich in Katalonien um eine demokratische und friedliche Bewegung von europäischen Mitbürgern handelt, sind wir der Meinung, dass die Berichterstattung einer proeuropäischen, prestigereichen Zeitung wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung diese Prinzipien auch widerspiegeln sollte.

 

Krystyna Schreiber, Hannah Espin

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