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Warum Pep Guardiola nie spanischer Nationaltrainer wird

Jan Diedrichsen hat sich in diesem Sommer in einer 20-teiligen Serie für den „Nordschleswiger“ in kritischer Perspektive der Situation der Minderheiten in den Staaten Europas gewidmet. Minderheitenpolitik ist ein ur-schleswig-holsteinisches Thema. Daher freuen wir uns, die Texte aus der Zeitung der deutschen Minderheit in Dänemark auch auf shz.de veröffentlichen zu dürfen.

vom 17. August 2015

Spaniens größte Minderheit, die Katalanen, streben nach Unabhängigkeit. Und in Barcelona weht der Dannebrog.

In mehreren Ortschaften Kataloniens wehte vor einigen Monaten die dänische Flagge. Grund für diese Ungewöhnlichkeit war der Protest einiger Bürgermeister. Ihnen war aus Madrid verboten worden, im Vorfeld der Lokalwahlen, die katalanische Flagge der Unabhängigkeitsbewegung zu hissen. Doch warum der Dannebrog? Dies hängt wiederum mit einer im Mai dieses Jahres im Folketing beschlossenen Empfehlung zur Situation in Katalonien/Spanien zusammen. Nach einer Debatte im Folketing hatten alle Parteien (bis auf die Dänische Volkspartei) sich auf einen gemeinsamen Beschluss geeinigt:

„Das Folketing nimmt die Ausführungen der Regierung zu den historischen, politischen und völkerrechtlichen Aspekten, die mit der Situation in Katalonien verbunden sind, zur Kenntnis und schließt sich auf diesem Hintergrund der Auffassung an, dass die Frage nach Kataloniens Unabhängigkeit eine Angelegenheit für den friedlichen und demokratischen Dialog zwischen Katalonien und der spanischen Regierung ist.“

Ein Beschluss, der in dänischen Ohren unverdächtig klingt. Doch die Katalanen verehren seitdem das Folketing. In den sozialen Medien brach eine Welle der Sympathie über Dänemark herein, die im Königreich mehr oder weniger ungehört verebbte. Die Katalanen sind dankbar, weil etwas formuliert wurde, das in Kopenhagen als Selbstverständlichkeit klingt. Doch die Regierung in Madrid will just keinen „friedlichen und demokratischen Dialog“, man will die Einheit Spaniens unter allen Umständen sichern.

Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Katalonien ist nicht einverstanden bis beleidigt, wenn man sie als Spanier bezeichnet. Nie würde der Meistertrainer aus Bayern, Pep Guardiola, die spanische Nationalmannschaft trainieren – er ist kein Spanier, er ist Katalane. Wer sich überzeugen will, dass Barcelona keine spanische, sondern eine katalanische Stadt ist, der gehe ins Camp Nou und zähle beim nächsten Spiel von Barcelona die spanischen Flaggen. Man wird kaum eine finden.

Die Katalanen sind die große „Minderheit“ in Spanien. Zusammen mit den Valencianern (so die Bezeichnung der Katalanischsprecher in der Region Valencia) machen die Katalanen rund 6,5 Millionen Menschen aus – über 15 Prozent  der spanischen Bevölkerung. Darüber hinaus gibt es rund 1,5 Millionen Galizier, geschätzte 700.000 Gitanos (Roma) und ca. 600.000 Basken in Spanien.

Der baskische Terror hat über Jahrzehnte die Unabhängigkeitsbewegungen in Spanien geprägt. Ein unabhängiges Baskenland steht nicht zur Debatte, und der menschenverachtende Terror ist hoffentlich für immer Geschichte. Es gibt weitreichende Autonomieregelungen für das Baskenland (und für Katalonien), wenngleich viele Basken weiter von einer Unabhängigkeit vom verhassten Madrid träumen.

Doch zurück zu den Katalanen, dessen Parteien – von links nach rechts – die bevorstehenden Regionalwahlen im Herbst zu einem Referendum über die Unabhängigkeit erhoben haben. Ein direktes Unabhängigkeitsreferendum war ihnen zuvor aus Madrid verboten worden. Sollten die Pro-Unabhängigkeitsparteien bei den bevorstehenden Regionalwahlen eine deutliche Mehrheit erlangen – was erwartetet wird – will man mit dem Prozess einer Sezession beginnen.

Daher ist das im ersten Moment putzig wirkende Flaggen mit dem Dannebrog in Katalonien eine ernste Angelegenheit. Europa hält sich bislang zurück; doch in vielen Hauptstädten herrscht Alarmstimmung – man befürchtet einen Dominoeffekt und auf Dauer die Destabilisierung des Nationalstaates, der staatlichen Grundlage der EU.

Viele Beobachter – auch in Minderheitenkreisen – sind der Auffassung, eine Aufspaltung Europas in kleine Einzelstaaten, ein Europa der Kleinstaaterei, könne nicht das Ziel sein. Doch was antwortet man einem Abgeordneten des Europäischen Parlaments, einem gemäßigten Katalanen, der darauf angesprochen, rhetorisch zurückfragt: „Wie viele Dänen gibt es – 5 Millionen? Es gibt fast 7 Millionen Katalanen, warum dürft ihr einen eigenen Staat haben und wir nicht?“

Der Autor wurde in Sonderburg geboren und war bis 2014 Leiter des Sekretariats der Deutschen Volksgruppe in Kopenhagen und Direktor der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen. Er ist ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Minderheiten.

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