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Beobachtungsreise nach Katalonien vom 7. bis 10. November 2014

1 / desembre / 2014 a les 07:04

Felix von Grünberg
Felix von Grünberg

In der Zeit vom 7 bis 10. November war ich als internationaler parlamentarischer Beobachter bei der Befragung der katalanischen Bürgerinnen und Bürger von DiploCat (Public Diplomacy Council of Catalonia) eingeladen nach Katalonien zusammen mit sieben anderen Parlamentariern aus Europa.

Der Grund meiner Einladung war, dass Heike Keilhofer, meine Mitarbeiterin beim Mieterbund Bonn, seit vielen Jahren gute Beziehungen zu vielen Ebenen in Katalonien hat. Im Rahmen ihrer Tätigkeit im Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Barcelona e.V. hat sie vorgeschlagen, dass der Mieterverein Köln bei der Gründung eines Mietervereins in Barcelona hilft, weil es dort bisher, trotz der dramatischen Wohnungssituation keine derartigen Organisationen gibt. Heike Keilhofer hat mich auf der Reise begleitet.

Ich hatte mich bereits seit längerer Zeit darum bemüht, dass sich die Friedrich-Ebert Stiftung, die ja eine lange Tradition bei der Errichtung der Spanischen Demokratie hat, einmischt in die offensichtlich aufgetretenen erheblichen Spannungen zwischen Spanien und Katalonien.

Im Mai 2014 hat der Präsident der Friedrich-Ebert-Stiftung, Kurt Beck, zusammen mit dem ehemaligen langjährigen Ministerpräsidenten Jordi Pujol über die Frage der Dimensionen der europäischen Integration im Vorfeld der Europawahlen diskutiert. Die Veranstaltung wurde von der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik durchgeführt.

Geschichtlicher Rückblick:

Meines Erachtens ist ein Grund der Auseinandersetzung zwischen Spanien und Katalonien auch die bisher nicht aufgearbeitete Zeit der Franco-Diktatur. Nicht vergessen werden sollte, dass es vor der Franco-Diktatur eine Republik gegeben hat und der damalige demokratisch gewählte katalanische Präsident Lluís Companys nach der Flucht von den Deutschen Nazis an Franco ausgeliefert und dann standrechtlich erschossen worden ist. Nazi-Deutschland hat sich im Bürgerkrieg auf die Seite Francos gestellt.

Ich halte es daher für wichtig, dass der Prozess der Demokratisierung in Spanien auch eine Angelegenheit der Deutschen Verantwortung ist, ohne dass wir uns formell einmischen. Die Franco-Diktatur hat bis 1975 gedauert. Die heutige Demokratie ist noch nicht einmal 30 Jahre alt.

Spanische Verfassung (Constitución)/ Landesverfassung Kataloniens (Estatut)

Die Landesverfassung Kataloniens (Estatut) wurde 2005 nach einem langen Prozess geändert, vom spanischen Parlament akzeptiert und vom König unterschrieben. Durch ein Referendum in Katalonien wurde die geänderte Landesverfassung angenommen und bestätigt.

Die damals in der Opposition befindliche und jetzige Regierungspartei Partido Popular (Volkspartei) unter Mariano Rajoy hat deswegen das erfassungsgericht angerufen. Die neue Landesverfassung Katalonien wurde von ihm 2010 als verfassungswidrig angesehen.

Siehe auch z.B. : http://www.eldebat.cat/cat/viewer.php?IDN=73954

Danach gab es meines Wissens keine intensive Bemühungen des Spanischen Parlaments die Angelegenheit doch noch einvernehmlich und im Sinne einer größeren föderalen Freiheit zu lösen, obwohl die Katalanische Regierung sich hierum mehrfach bemüht hat.

Dies führte, neben vielen Korruptionsskandalen, die inzwischen in Spanien alltäglich in der Öffentlichkeit diskutiert werden, zu einem immer stärkeren Willen der Katalanen über eine Verfassungsreform oder einer Unabhängigkeit Kataloniens abzustimmen. Leider ist immer wieder das Verfassungsgericht angerufen worden und dies hat entschieden, dass die Abstimmung als Referendum unzulässig sei und deswegen die Landesregierung daran gehindert sei, die Abstimmung durchzuführen.

Die Bürgerbewegungen: Omnium Cultural und ANC – Ara es l’hora –

Trotz der immer größeren Demonstrationen die jährlich am 11. September (Nationalfeiertag Kataloniens) durch die Bürgerbewegungen organisiert werden, konnte keine Änderung der Haltung der streitenden Parteien herbeigeführt werden, so dass im Ergebnis die Abstimmung am 9.11.2014 lediglich eine Meinungsbildung der katalanischen Bevölkerung war. Da die Regierung in Madrid auch die Abstimmung durch das Verfassungsgericht hat stoppen lassen, wurde selbst diese durch die Bürgerbewegungen ANC und Omnium Cultural mit über 40.000 freiwilligen Helfern organisiert.

Die Fragestellung der Abstimmung war:

Wollen Sie, dass Katalonien ein eigener Staat ist? (ja/nein)

Wenn ja: Wollen Sie, dass der Staat unabhängig ist? (ja/nein)

Oder Nein (gegen eigen eigenen Staat)

Unser Programm in Katalonien vom 7.11.2014 – 10.11.2014

Freitag 7.11.2014

Zunächst haben wir am Freitagabend die Abschlusskundgebung von der Bürgerbewegung Ara es l’hora besucht, die von ca. 250.000 Teilnehmern und einer großen Zahl von Sprechern aus der Bürgerbewegung und von Intellektuellen besucht wurde. Sie fand auf der Plaça Espanya/Montjuic in Barcelona statt.

Interessant war, dass bewusst auf den 9. November hingewiesen wurde und dem Fall der Mauer in Deutschland. Es wurde symbolisch auch eine Mauer niedergerissen.

Es wurde von den Rednern immer wieder darauf hingewiesen, dass die Abstimmung mit einem Lächeln durchgeführt werden solle. Deswegen wurden z.B. Portraits von Ghandi und Martin Luther King gezeigt, um die historische Bedeutung, aber auch die Friedfertigkeit zu dokumentieren. Im Anschluss fand das erste Treffen der überparteilichen Abgeordneten aus verschiedenen europäischen Ländern statt.

Samstag 8. November 2014

Der ganze nächste Tag war bestimmt von Gesprächen der internationalen Parlamentariergruppe mit Vertretern aus allen politischen Parteien, die derzeit im Parlament von Katalonien vertreten sind, sowie Vertretern der Zivilgesellschaft.

Treffen mit Vertretern der Parteien

Die Vertreterin der Regierungspartei von Ministerpräsident Artur Mas, Convergencia i Unió (CiU) hat noch einmal auf die Schwierigkeit der praktischen Zusammenarbeit mit der Regierung in Madrid hingewiesen. Insbesondere was die Finanzregulierungen zwischen den einzelnen Regionen betrifft, die Unklarheit in wichtigen Bereichen wie Forschung und der ständige Versuch in Landeszuständigkeiten bis ins Detail hereinzuregieren (Bildungsbereich). Sie machte noch einmal die unterschiedlichen Regelungen der Finanzzuständigkeit der einzelnen Regionen in der Verfassung deutlich, so haben z.B. das Baskenland und Navarra ein eigenständiges Recht die Steuern zu erheben, Katalonien und auch andere Regionen nicht.

Interessant waren die Gespräche mit der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) einer linken Partei, die im europäischen Parlament der Fraktion der Grünen angehört, sich aber als typisch sozialdemokratisch definiert und der Vertreterin der PSC (Katalanische Sozialistische Partei) die der spanischen Oppositionspartei PSOE (Sozialdemokratische Partei Spaniens) angehört.

Die ERC, strebt die Unabhängigkeit Kataloniens an, ohne m. E. genau darzustellen, wie dies auch im Innenverhältnis zu Spanien und der EU umgesetzt werden sollte. Gleichwohl hat sie großen Rückhalt in der Bevölkerung und trägt immer wieder vor, dass sie dem Demokratieprinzip Rechnung trage.

Die Vertreterin der PSC hingegen unterstützt sowohl persönlich die Abstimmung, hatte aber offensichtlich große Schwierigkeiten insbesondere mit der PSOE, die auch eine sehr stark ablehnende Haltung gegenüber der Abstimmung hatte. Dies mag sich ggfs. mit dem klaren Votum der späteren bstimmung ein wenig geändert haben.

Die Vertreter der PPC, als der spanischen Regierungspartei in Katalonien, haben dargelegt, dass sie klar gegen die Abstimmung seien. Sie haben allerdings kaum zum Ausdruck gebracht, wie die Lösung des Konflikts nach ihrer Auffassung erfolgen sollte und könnte, außer, dass man Gespräche führen müsse.

Die Vertreter der Grünen haben sich sehr hinter den Prozess der Abstimmung gestellt, wobei die Frage, welche Konsequenzen genau gezogen werden müssten, also ob in einem unabhängigen Staat oder in einem Staat innerhalb Spaniens, nicht einheitlich war.

Der Verein „Societat Civil Catalana“ drängte auf die Einhaltung der spanischen Verfassung und machte deutlich, dass er das Verfahren insgesamt als unzulässig ansieht.

Wahlverfahren – Wahllokale – Datensicherheit

Wie wählt man ohne Wahlverzeichnis?

Im Anschluss an die Gespräche mit den Vertretern der Parteien wurde ausgiebig das Abstimmungsverfahren erläutert und diskutiert. Da Madrid kein Wahlverzeichnis geliefert hatte, musste ein besonderes und sicheres Verfahren entwickelt werden.

Zunächst muss man darauf hinweisen, dass die Post sich geweigert hatte, die Briefe zuzustellen, die die Bürger über den Ort des Abstimmungslokals informieren sollte.

Wahllokale

Die Zahl der Abstimmungslokale war kleiner als die der üblichen Wahllokale, weil die Zentralregierung verboten hatte, dass Lokale genommen werden, auf die sie unmittelbaren Einfluss hatte. Die reduzierte Zahl der Abstimmungslokale führte dann zu langen Wartezeiten.

Datensicherheit / Wahlverzeichnis

Es gab in den Abstimmungslokalen Computer, die bewusst nicht ans Netz angeschlossen waren, sondern nur ein Programm aufgespielt hatten, mit dem Straßenverzeichnis in Katalonien, so dass mit Hilfe des Personalausweises und der dort angegebenen Adresse festgestellt werden konnte, ob der Gemeldete abstimmungsberechtigt war oder nicht. Dieses Programm wurde extra für die Abstimmung erstellt.

Die Beteiligung wurde dann nicht nur im Rechner, sondern außerdem auf einem Formblatt festgehalten, einschließlich Namen, Anschrift und Personalausweisnummer.

Eine Möglichkeit ins Internet zu gehen sollte bewusst nicht verwendet werden, damit keine Manipulation von außen stattfinden konnte. Später wurde im übrigen deutlich, dass sowohl das Computersystem der katalanischen Regierung gehackt worden ist, als auch die privaten Handys (300) der Organisatoren der Bürgerorganisation, die die Abstimmung durchgeführt hat.

Ansonsten wurde, wie bei einer Wahl, von den Abstimmungshelfern in den Lokalen ausgezählt und an eine Wahlzentrale per Telefon weitergegeben, die dann das Endergebnis zusammen rechneten.

Pressezentrum – Messe Fira Barcelona

Im Anschluss an diese Gespräche sind wir im Pressezentrum als Delegation der Presse vorgestellt worden und es wurden unsere Aufgaben erläutert.

Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft

Am Abend hatten wir dann ein Essen mit Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Vertretern der Gewerkschaften, Wirtschafts- und Politikprofessoren und Vertretern der ANC und Omnium Cultural.

Der Gewerkschaftsvertreter, Ricard Bellera ist mir und Heike Keilhofer seit längerem bekannt. Er arbeitet mit in der Städtepartnerschaft Köln-Barcelona innerhalb eines Ausbildungsprojektes mit der Handwerkskammer zu Köln zusammen und hat z.B. am 1. Mai die Rede auf der zentralen DGB Kundgebung in Dortmund gehalten.

Muriel Casals, eine der beiden führenden Persönlichkeiten der Bürgerbewegung erläuterte nochmals die Beweggründe, für diese friedliche Abstimmung. Während des Abendessens konnten alle Beteiligten miterleben, wie die Handys der ANC und Omnium Vertreter permanent klingelten und gehackt wurden.

Sonntag, Abstimmung 9. November 2014 Besuch der Wahllokale

Die Parlamentariergruppe, unter der Leitung des konservativen britischen EU-Abgeordneten Dr. Ian Duncan, hatte sich in drei Gruppen aufgeteilt und insgesamt über 30 Abstimmungslokale besucht.

Ich selber habe am Anfang noch eine internationale Delegation begleitet, die auf Einladung der ERC ebenfalls die Abstimmung beobachtet hat. Ich habe in Vic zwei Wahllokale besucht und bin danach nach Badalona gefahren. Durch Vic hat uns Marie Krapretz, eine Deutsche, die in Katalonien lebt und als Gemeinderätin der ERC politisch tätig ist begleitet.

In Sabadell bin ich zur Gruppe von Ian Duncan und Valter Mutt gestoßen, von dort aus haben wir Wahllokale in Barberà de Valles, Nou Barris Barcelona und Sant Andreu gesucht und waren bei der Schließung des Wahllokals im Eixample in Barcelona dabei.

Trotz Regens gab es lange Schlangen von Wartenden vor den Abstimmungslokalen.

Die ehrenamtlichen Helfer hatten in allen besuchten Lokalen nachvollziehbare Strukturen aufgebaut, auch mit einem Informationstisch am Eingang eines Abstimmungslokals, an dem man sich über das Verfahren nochmals informieren konnte. Die Eingabe der Daten in den Computer und auf den Bestätigungslisten war für die Beteiligten sicherlich sehr mühsam.

Die Stimmung bei der Abstimmung war ausgesprochen friedlich und der Wunsch aller Beteiligten mitzuwirken war offensichtlich groß. Es konnte alle Bürger mit einem gültigen Personalausweis abstimmen unabhängig von der Frage, ob sie in Katalonien geboren worden sind oder nicht.

Auszählung

Nach der Besichtigung der Abstimmungslokale haben wir die Zentrale besucht, wo die Auszählung durchgeführt wurde. Es wurde auch hier noch einmal das Verfahren erläutert. Danach haben wir mit allen gemeinsam intern einen Bericht über unsere Beobachtungen während des Abstimmungsverfahrens verfasst (siehe Anlage).

Im Anschluss daran sind wir wiederum in das Pressezentrum gefahren und haben nach der Rede des Ministerpräsidenten Artur Mas die Ergebnisse unserer Delegation der großen Zahl der Pressevertreter vorgetragen.

Montag, 10. November 2014

Am Montag habe ich noch Gespräche geführt mit den Vertretern der ERC, hier insbesondere Herr Jordi Solè Ferrando, Geschäftsführer der ERC und dem Vertreter der Neuen Linken (Nova Esquerra) Ernest Maragall, MdEP. Er ist der Bruder des früheren Bürgermeisters von Barcelona und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Pasqual Maragall, unter dessen Amtszeit die Verfassungsreform vom 2005 (siehe oben) verabschiedet wurde. Ernest Maragall gehörte bislang der PSC an und hat jetzt diese neue Bewegung mit gegründet.

Fazit:

An der Abstimmung haben sich insgesamt über 2,3 Millionen Menschen beteiligt. Das sind ca. 36% der Wahlberechtigten in Katalonien und fast so viele wie bei der letzten Wahl zum Europaparlament zur Wahl gegangen sind. Insgesamt haben über 80% für einen unabhängigen Staat votiert, ca. 11% für einen eigenen Staat innerhalb Spaniens und ca. 5% haben mit nein gestimmt.

Beachtet werden muss, dass diese Abstimmung unter einem erheblichen Druck und gegen den Willen des Spanischen Staates durchgeführt worden ist und nur wenige Abstimmungslokale vorhanden waren.

Der Versuch all diejenigen, die sich nicht beteiligt haben zu Gegnern der Abstimmung bzw. der Unabhängigkeit zu machen ist sicherlich politisch nicht korrekt. Die Nichtbeteiligung bei einer Wahl bedeutet auch bei uns nicht, dass man mit den Inhalten der Politik nichts zu tun haben möchte.

Festzuhalten ist, dass es sich rechtlich lediglich um eine Meinungsbildung und nicht um eine endgültige Abstimmung gehandelt hat und gerade deshalb halte ich die Beteiligung selbst für extrem hoch!

Von Seiten Madrids gab es am Montag lediglich eine Stellungnahmen mit dem Hinweis, man prüfe die Einleitung eines Strafverfahren gegen Präsident Artur Mas und der Vizepräsidentin Kataloniens. Der Ministerpräsident hatte sich bis zum Montagabend nicht zur Abstimmung geäußert.

Ich kann nur hoffen, dass diese starke Meinungsbildung in Katalonien zu ernsthaften politischen Konsequenzen in Spanien führt und die Spanier in der Lage sind, diese Probleme zu lösen.

Meines Erachtens sollte sich die Friedrich-Ebert Stiftung, die, wie oben dargestellt in der Vergangenheit schon einen wichtigen Beitrag für die Demokratisierung in Spanien geleitet hat, eine Plattform sein für interne Gespräche der Beteiligten, insbesondere auf dem linken Parteienspektrum.

Veranstaltungen und Gespräche über Föderalismus, europäische Fragen und Vergangenheitsbewältigung halte ich für notwendiger denn je.

Bernhard von Grünberg, MdL 13. Nov

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