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Offener Brief an die Unterzeichnenden der DECLARACIÓN DE BARCELONA

Sehr geehter Herr Albert Peters, Herr Erwin Rauhe, Herr Gerhard Esser, Herr Sebastián Trivière-Casanovas, Herr Carlos Wienberg, Herr Andrés Gómez und sonstige Unterzeichnende (bis zu 54, lt. Presseinformationen),

Mein Name ist Thomas Spieker. Ich bin Deutscher Staatsbürger und lebe und arbeite seit 43 Jahren, mal als Kleinunternehmer und andere Male auch als Angestellter, in Katalonien. Seit einigen Jahren bin ich sogar Kolumnist verschiedener regionaler Medien im Lande. Ich gehöre keinem deutschen Club an, sondern habe von Anfang an versucht, mich unter die Einheimischen zu mischen, ohne dabei auf die Identität meiner Herkunft zu verzichten. Heute fühle ich mich als Katalane deutscher Herkunft, denn ähnlich wie viele andere Katalanen, habe auch ich das Land kennen und lieben gelernt und in der Folge zu meiner Wahlheimat gemacht.

Ihre ‚Erklärung‘ hat mich überrascht. Ich bin schon während meines Studiums der Betriebwirtschaft in Berlin immer davor gewarnt worden, Unternehmen und Politik zu sehr zu vermischen. Meine Laufbahn hat das bestätigt. Und offensichtlich bin ich auch nicht der einzige, der glaubt, dass Sie für Ihr Manifest eher ein Denkmal für ungewünschte Einmischung, als Sympathien unter den Katalanen verdient haben, denn sonst hätte sich die BASF nicht sofort am Tag nach der Veröffentlichung davon distanziert. Die Reaktionen seitens der Bürger und Politiker des Landes, das haben Sie sicher schon gemerkt, waren von vielseitig bis heftig.

Die linken, katalanistischen Politiker (u.a. MP Joan Tardà – ERC) bezichtigen Sie gar, den katalanischen Nationalismus mit dem Nationalsozialismus in Deutschland verglichen zu haben. Das mag zwar etwas hochgegriffen sein, war aber angesichts Ihrer oberflächlichen, verallgemeinernden Warnung „Alertamos de los peligros de un fervor nacionalista, que en el último siglo ha traído sufrimientos inmensurables sobre Europa y que tampoco traerá nada bueno para Catalunya“ eigentlich nicht anders zu erwarten. Vor allem, weil Sie mit Ihrem warnenden Finger nur auf den katalanischen Nationalismus zeigen. Würden Sie das politische Klima tatsächlich ein wenig näher unter die Lupe nehmen, hätten sicher auch Sie festgestellt, dass der spanische Nationalismus viel heftigere Wogen schlägt. Können Sie sich vorstellen, was in Deutschland los wäre, wenn die Bundesregierung die Länder, z. B. Bayern, per Gesetz verpflichten wollte, den landeseigenen Dialekt aus den Schulen zu verbannen, um ab sofort z.B. Mathematik oder Geschichte nur noch auf Hochdeutsch zu unterrichten? Nun, genau das war aber das Anliegen der Madrider Regierung, deren Kulturminister José Ignacio Wert im Parlament erklärte, dass es ihr Anliegen sei, die Kinder in Katalonien zu „verspanischen“. Und auch wenn ein verschwindend geringer Teil der Bürger in Katalonien damit übereinstimmen (genauso wie es sicher auch in Bayern Einwohner gibt, die ihre Kinder in den Schulen gerne auf Hochdeutsch unterrichtet sähen), rechtfertigte er damit eine Einmischung in eine Kompetenz der katalanischen Landesregierung, die ihr vor 30 Jahren übertragen wurde und bisher, ähnlich wie die Mehrsprachigkeit in der Schweiz, einwandfrei funktioniert hat.

Ihre Deklaration hat viele Menschen im Lande tief verletzt. So etwas passiert generell immer dann, wenn man sich nur die eine Seite der Münze anschaut. Daher war sie auch Wasser auf die Mühle des Madrider Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Leo Wieland, der nie eine Gelegenheit auslässt, den Freiheitsbestrebungen der Katalanen Ohrfeigen auszuteilen. Ähnlich wie auch die radikal-rechten Medien in Madrid Ihr Manifest für ihre eigenen Zwecke genutzt haben. Selbst Ministerpräsident Mas sah sich gezwungen, eine Erklärung abzugeben, um Ihr Schreiben, das leider nicht als Analyse, sondern als Angriff bewertet wurde, zu relativisieren.

Jedoch will ich keinesfalls Ihr Recht auf freie Meinungsäusserung oder Ihre legitime Sorge um die wirtschaftliche Stabilität Kataloniens in Frage stellen. In Frage stelle ich nur Ihre mangelnde Objektivität, die eindeutige Parteiergreifung für eine politische Option, nämlich die der spanischen Volkspartei PP (für die einige unter Ihnen ja sogar im letzten Wahlkampf auf die Bühnen gegangen sind), die in dem Land, in dem Sie als Menschen leben und als Unternehmer, bzw. Führungskräfte bedeutender deutscher, bzw. europäischer Unternehmen tätig sind, nur von einer geschwindend kleinen Prozentzahl der Bevölkerung unterstützt wird. Oder glauben Sie, dass Sie die einzigen internationalen Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen in Katalonien repräsentieren? Wie denken Sie über die Hotelgruppe Hyatt, die gerade 200 Millionen Euro für den Ankauf der Torre Agbar investiert hat, oder über die chinesische Hutchinson Gruppe, die mit über 420 Millionen Euro Barcelonas Hafen zum grössten halbautomatischen Umschlagplatz für Container in Südeuropa machen will, oder über Mulitmillionär Amancio Ortega (ZARA), der in den letzten Jahren Immobilien für über 500 Millionen Euro in Barcelonas Innenstadt erworben hat? Glauben Sie, dass die Führungskräfte dieser Firmen sich keine Gedanken über die katalanische Unabhängigkeitsbewegung gemacht haben?

Natürlich stimmt es, dass das Kapital ausser Gewinn vor allem ein stabiles Umfeld sucht. Hätten Sie sich jedoch bei Ihrer Analyse ein bischen mehr Mühe gegeben, hätten Sie bestimmt gemerkt, dass Stabilität und Wirtschaftswachstum eigentlich hinter dem Unabhängigkeitsdrang des weltweit als äusserst geschäftstüchtig geltenden katalanischen Volkes stehen. Denn, so meinen nahmhafte Wirtschaftsexperten allerorts, die seit Jahrzehnten mangelnden Investitionen des spanischen Staates in Katalonien, der auf der Jagd nach Wahlstimmen lieber Hochgeschwindigkeitsgleise in die Wüste Extremaduras oder noch einen unnötigen Autobahnring um Madrid baut, wird die katalanische Wirtschaft in Zukunft viel mehr belasten, als ein einmaliger Einschnitt in ein Bündnis, das von Spanien selbst in den letzten 35 Jahren demokratischer Ordnung, immer eher als die Beziehung der Molkerei mit der Kuh, als ein Verhältnis unter gleichberechtigten Regierungen geführt wurde. Hinzu kommt die kulturelle und sprachliche Invasion mit dem eindeutigen Ziel, alles ‚katalanische‘ zu unterdrücken.

Ich finde es schade, dass Sie mit ihrem Brief gerade das Volk Südeuropas vor den Kopf gestossen haben, das von seinem Wesen her uns Deutschen wahrscheinlich am verwandtesten ist. Vielleicht wollen Sie sich ja überlegen den Brücken, die Sie so leichtsinnig zerschlagen haben, neuen Glanz zu verleihen, indem Sie die deutsch-katalanische Freundschaft in neue Gefielde heben. Wenn Sie es wünschen, bin ich Ihnen dabei gerne behilflich.

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Spieker

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