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Die große Lüge über den Fall Joan Coma

Artikel erschienen am 27.12. 2016 in El Periódico de Catalunya (Link am Ende des Textes), von Marina Llansana.

Es ist so befremdend, dass man in einem demokratischen Staat in Europa einen gewählten Mandatsträger festnimmt, weil er in einem Plenum seine Ideen geäußert hat, und dass diejenigen, die noch an den demokratischen Geist vom Verfassungs-Spanien glauben, sich beeilt haben, eine Erklärung zu suchen, um nicht anerkennen zu müssen, dass dieses Ereignis ein unerhörter Angriff auf die Meinungsfreiheit ist.

Das Argument, das das demokratische Gewissen vieler Bürger beruhigen soll, ist, dass Joan Coma nicht festgenommen wurde wegen seiner Ideen, sondern weil er nicht vor Gericht erschienen war. Aber das ist nicht wahr. Dieses Argument ist nicht wahr und es wirkt zerstörerisch, denn es macht aus dem Opfer einen Täter und lenkt die Aufmerksamkeit von dem wirklichen Problem ab.

Noch einmal zum Verlauf der Ereignisse.

Derjenige, der Joan Coma angezeigt hat, ist der Ultrarechte Josep Anglada, ehemaliger Vorsitzender der fremdenfeindlichen „Plataforma x Catalunya“. Er leitete die gerichtliche Untersuchung von Coma mit einer Anzeige bei der Guardia Civil ein, und wurde als privater Ankläger vorstellig. Die Staatsanwaltschaft nahm die Anklage an und Coma wurde wegen angeblichen Aufrufs zum Aufstand verklagt. Eine Straftat – so der Staatsanwalt –, die der Stadtverordnete von Vic 2015 begangen habe, als er in einem Stadtratsplenum den Satz sagte: „Um ein Omelett zu machen, muss man erst die Eier zerschlagen“.

Ein gerichtlicher Kreuzzug

Anglada schießt und die Gullys des Staates tun das übrige wie in einem schlechten Krimi: der Richter Ismael Moreno, ein ehemaliger Franco-Polizist, der bekannt wurde wegen der Festnahme von Straßenkünstlern, kommt auf die Bühne und punktet, indem er sich an dem Kreuzzug beteiligt, den die spanischen Institutionen gegen jene Mandatsträger führen, die die Unabhängigkeit Kataloniens befürworten.

Nennen wir die Dinge bei ihrem Namen: Es wäre weder ein Gerichtsverfahren gegen Coma eröffnet noch wäre er vor Gericht zitiert worden, wenn er nicht das politische Projekt der Unabhängigkeit verteidigt hätte.

Und hier liegt der Grund für alles; dass Coma vor Gericht zum Aussagen erscheint oder nicht, ist eine kleine prozessuale Angelegenheit. Das wirklich Ungeheuerliche ist, dass er verfolgt wird, weil er seine Ideen zum Ausdruck brachte, ganz egal, welche diese sind. Wenn man sagt, dass Coma selbst schuld an seiner Festnahme sei, ignoriert man nicht nur den wirklichen Grund der Anklage, sondern man macht auch noch das Spiel der Ultrarechten mit, und gleichzeitig verdecken wir die schlechte demokratische Gesundheit eines Staates, der schon lange zwischen seinen Gerichten den Kompass verloren hat.

Opfer und Henker

Vergessen wir nicht, dass dieselbe Justiz, die über Coma richten wird, seinen Ankläger Josep Anglada von einer Straftat, nämlich den Aufruf zum Hass freisprach. Anglada hatte damals 3.000 fremdenfeindliche Pamphlete in den Gemeindewahlen von Mai 2007 verteilt.

Tatsächlich wird an diesem Mittwoch (28.12.) Joan Coma dem Obersten Gerichtshof überstellt, und es ist kein Aprilscherz; ein Stadtrat, demokratisch an den Urnen gewählt, ist festgenommen worden, weil er in einem Stadtratsplenum als gewählter Vertreter seine Ideen erklärt hat. Deshalb sollten alle Demokraten zusammenstehen (und noch mehr, wenn sie an so etwas wie die „Operation Dialog“ glauben), um zu verhindern, dass die Grundpfeiler der spanischen Demokratie noch schwächer werden.

Originaltext: http://www.elperiodico.com/es/noticias/opinion/gran-mentira-sobre-caso-joan-coma-5714475

Dazu die videoaufnahme von den Verhör an Joan Coma (auf spanisch): https://www.youtube.com/watch?v=NyTTWFISN48

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