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Lesebrief: „Die katalanische Regierung handelt trügerisch und illegal“

„Die katalanische Regierung handelt trügerisch und illegal“, Interview mit Miguel Perfecto, von Leonie Feuerbach. FAZ 14.11.

Sehr geehrter Herr Frankenberger, sehr geehrter Herr Kohler,

das Interview mit dem Historiker Miguel Perfecto zeigt unserer Meinung nach, dass Herr Perfecto a) trotz seine Gelehrsamkeit nichts über Katalonien weiß, und b) dass er nur die offizielle Version der spanischen Geschichte gelernt hat, ohne diese in Frage zu stellen.

Dass ein Historiker sich erlaubt, zu behaupten, dass Katalonien nie ein unabhängiger Staat war, zeigt schon seine Inkompetenz als glaubwürdiger Gelehrter. In Katalonien zwischen 988 und 1714 waren nur die katalanischen Gesetze gültig. Wenn ein Kastilier in Katalonien politisches Asyl fand, hatten die kastilischen Behörden nichts mehr zu melden. Katalonien war ein souveränes Staatsgebilde, konföderiert zwar erst mit Aragonien, dann mit Spanien, aber de facto unabhängig.

Perfecto sagt, dass die „Republikanische Linke Kataloniens“ (ERC) immer in der Minderheit, und nie über 15 Prozent der Stimmen gekommen war. Das gilt nur für die Zeit nach Franco, solange die Katalanen die Hoffnung hatten, ihren Platz in einem demokratischen Spanien finden zu können, in einer Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt beruhen würde. Aber 1931 erreichte die ERC die Mehrheit der Stimmen und der Sitze in Katalonien, und hielt sie bis zum Militärputsch unter Francisco Franco. Wieder ein Lapsus des Historikers.

Was aber skandalös ist, wenn Herr Perfecto meint, dass die Katalanen nichts für die ärmeren Regionen Spaniens bezahlen wollen. Das ist eine infame Lüge, obwohl diese Anschuldigung tatsächlich in Spanien immer wieder verbreitet wird. Katalonien bekennt sich und hat sich stets zur Solidarität bekannt.

Wogegen die Katalanen aufbegehren ist, mehr bezahlen zu müssen als sie sich erlauben können, weit mehr als Bayern oder Baden Württemberg in den Länderfinanzausgleich je bezahlt haben, und auf der anderen Seite weniger als andere Bürger Spaniens für ihre Sozialausgaben zur Verfügung zu haben, und zudem die von ihnen abgegeben Steuergelder auch nicht in Form von Investitionen in wirtschaftlich notwendige Infrastrukturen zurückzubekommen, die übrigens auch ganz Spanien zugute kommen würden wie der Mittelmeerkorridor oder Gütertransportanschlüsse an wichtigen Umschlagezentren wie Hafen und Flughäfen. Es ist kein „Separatismus der Reichen“ sondern einer der Ausgebeuteten.

Es ist auch skandalös, wenn Herr Perfecto sagt, die Katalanen „wollen im Alleingang ihre Unabhängigkeit von Spanien erklären und nicht verhandeln“. Seit Jahren haben die Katalanen immer wieder versucht, mit Madrid zu verhandeln. Sie haben nur ein ewiges „Nein!“ zur Antwort gekriegt. Das letzte Autonomiestatut, das zwei Jahre lang mit Madrid verhandelt wurde, wäre eine Lösung gewesen, wurde aber vom spanischen Verfassungsgericht bis zur Unkenntlichkeit verwässert; die Bitte um einen fairen und transparenten Finanzausgleich abgeschmettert, etc. Man kann kein Dialog haben mit jemanden haben, der nicht verhandeln will, der aber seit Jahren bereits verhandelte Abmachungen zunichte macht und eine enorme Rezentralisierung betreibt, während selbst zentralistische Länder wie Frankreich begonnen haben, der europäischen Dezentralisierung zu folgen.

Noch eine Unverfrorenheit: Perfecto sagt, dass es nie eine wirkliche Verhandlungsbereitschaft von Seiten der Katalanen gab: „im Gegensatz zu dem Beispiel von Schottland und Großbritanien, wo das Referendum über zwei Jahre mit der britischen Regierung verhandelt wurde“. Weiß er wirklich nicht, dass die Katalanen jeden erdenklichen Versuch unternommen haben, um mit Madrid auch eine solche Vereinbarung zu erreichen?

Und zuletzt (obwohl viel mehr zu sagen wäre): Perfecto meint, dass die UN das Recht auf Selbstbestimmung nur auf Kolonien bezogen haben. Er sollte als Gelehrter aber auch wissen, dass die UN vor nicht so langer Zeit erklärt hat, dass durch die erfolgte Unabhängigkeit mehrerer Länder (u.a. Slowakei, die früheren Staaten der Sowjetischen Union und Jugoslawiens) die Position der UN sich geändert hat, um den Begriff der aktuellen Evolution im 21. Jhdt. anzupassen.

Und jetzt muss ich Herrn Perfecto auch mal Recht geben: dass der jetzige Fahrplan zur Unabhängigkeit nach spanischer Legalität illegal ist, bestreitet niemand. Aber die Unabhängigkeit der USA, Kroatiens, oder Argentiniens war auch illegal nach den Gesetzen des jeweiligen „Mutterlandes“. Die Katalanen haben entschieden, der Legitimität des von ihnen gewählten Parlaments zu folgen und damit die spanische Legalität zu ersetzen. Das ist das Ergebnis der unsäglichen spanischen Politik der letzten Jahre, der Herr Perfecto offensichtlich absolut unkritisch gegenübersteht. Zu Recht passt hier der Ausdruck, die Geschichte von den Siegern geschrieben, und offensichtlich extrapoliert er das auch auf die Gegenwart, 300 Jahre später.

Pere Grau

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